
Atopischer Formenkreis: So hängen Neurodermitis, Allergien und Co. zusammen
Neurodermitis, Asthma oder Allergien – eines haben alle gemeinsam: Sie gehören zum atopischen Formenkreis. Was bedeutet das aber genau? Grundsätzlich versteht die Medizin „Atopie“ als eine genetische Disposition, durch die unser Immunsystem auf bestimmte Reize (Allergene) überempfindlich reagiert und eine übersteigerte Abwehrreaktion zeigt. Atopie ist also kein einzelnes Krankheitsbild, sondern eine Veranlagung, die das Auftreten von allergischen Erkrankungen an unterschiedlichen Organen begünstigt.
Welche Erkrankungen gehören zum atopischen Formenkreis?
Dass Neurodermitis zum atopischen Formenkreis gehört, verrät schon ihr medizinischer Name: atopische Dermatitis. Doch es gibt noch weitere Erkrankungen, die aufgrund einer Überreaktion des Immunsystems entstehen können: Asthma bronchiale, allergische Bindehautentzündung (Rhinokonjunktivitis), Heuschnupfen, Hausstaubmilben- oder Nahrungsmittelallergien. Diese können dabei einzelnen, nacheinander oder parallel in Erscheinung treten und verlaufen meist in Schüben (sogenannte Exazerbationen).
Bei Kindern, deren Eltern vom atopischen Formenkreis betroffen sind, steigt die Wahrscheinlichkeit ebenfalls Atopiker zu werden auf bis zu 75 % im Vergleich zu Kindern ohne eine familiäre Vorbelastung. Die Forschung ist seit Jahren den genauen Ursachen des atopischen Formenkreises auf der Spur. Zwar konnte die erbliche Veranlagung in Studien nachgewiesen werden1 , jedoch sind die genauen Ursachen der Erkrankungen und deren Zusammenhänge nicht eindeutig geklärt.
Nicht nur Genetik: Wie erkenne ich Triggerfaktoren?
Es ist wichtig zu wissen, dass neben der genetischen Disposition verschiedene Umweltfaktoren neue Schübe auslösen und den Verlauf der Erkrankung maßgeblich beeinflussen können. Auch die Ernährung kann hier eine wichtige Rolle spielen.
Reize, die einen Ausbruch von Neurodermitis oder anderen atopische Erkrankungen fördern können, werden als sogenannten Trigger- oder Provokationsfaktoren bezeichnet. Dabei gibt es sowohl Allergene, auf die wir uns und unsere Kinder testen lassen können (zum Beispiel mit einem Pricktest), als auch andere endogene und exogene Umweltfaktoren, auf die unser Immunsystem zusätzlich reagieren kann.
Mögliche Allergene, die getestet werden können:
Tierhaare und Federn
Bestimmte Nahrungsmittel wie zum Beispiel Hühner- oder Kuhmilcheiweiß, Weizen, Nüsse, Soja, oder Zusatzstoffe in Fertigprodukten.
Pollen
Hausstaubmilben
Schimmelpilze
Weitere Faktoren, die eine Überreaktion bzw. Schub auslösen können:
Klima wie kalte Winterluft oder trockene Heizungsluft
Schweiß
Temperaturschwankungen
Tabakrauch und Duftstoffe
Psychischer Stress und Belastungssituationen
Infekte

Was ist der atopische Marsch?
Auch wenn es zunächst danach klingt: Der atopische Marsch hat nur im übertragenen Sinne etwas mit Marschieren zu tun. Er beschreibt, dass es bei einer Atopie zu einem sogenannten Etagenwechsel kommen kann. Sprich: Bei einem atopischen Krankheitsbild wie Neurodermitis besteht grundsätzlich ein erhöhtes Risiko, auch eine weitere Krankheit aus diesem Formenkreis auszubilden. So kann beispielsweise nach dem Neurodermitis-Ausbruch in einem späteren Alter auch ein Asthma bronchiale hinzukommen. Laut den bisherigen Forschungsergebnissen gibt es aber keine feste Abfolge des Auftretens. Grundsätzlich gilt, dass eine allergologische Diagnostik und präventive Maßnahmen äußerst wichtig sind, um Triggerfaktoren zu identifizieren und zu vermeiden – und den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen.
Darum ist Neurodermitis keine Immunschwäche
Vielleicht haben Sie schon mal davon gehört, dass es sich bei Neurodermitis um eine Schwäche des Immunsystem handelt. Doch genau wie bei anderen atopischen Erkrankungen ist genau das Gegenteil der Fall. Im Normalfall löst unser Immunsystem bei schädlichen Substanzen wie beispielsweise Krankheitserreger eine Abwehrreaktion aus. Beim atopischen Formenkreis reagiert das Immunsystem jedoch nicht nur auf schädliche Eindringlinge, sondern auch bereits auf harmlose Substanzen wie Tierhaare, Pollen oder bestimmte Bestandteile in Nahrungsmitteln. Die Folge: eine überschießende Immunantwort, bei der Antikörper gebildet werden, die eine Entzündungsreaktion als Abwehrmechanismus auslösen. Es kommt zu Rötungen, Schwellungen oder juckenden Hautausschlägen. Neurodermitis ist also keine Schwäche unseres Immunsystems, sondern ein übersteigerte Immunantwort, mit dem eigentlichen Ziel, uns zu schützen.
1 Arshad, H.S. et al.: The effect of parental allergy on childhood allergic diseases depends on the sex of the child. Journal of Allergy & Clinical Immunology, 2012, 130(2): 427-434